Reisebericht von Alexander Bauer. Alle Fotos von Alexander Bauer.

Mein Freund Alexander ist ein Naturfreund. Seine Liebe zu Pflanzen und Tieren führt ihn auf seinen Reisen zu ursprünglichen und faszinierenden Naturgebieten. In diesem Beitrag berichtet er über den wilden Osten Polens.

Der Landschaftsraum

Vor 2 Jahren besuchte ich auf einer Reise durch den Osten von Polen unterschiedliche Schutzgebiete, von denen ich 3 vorstellen möchte. Ein großer Teil der Landschaft Polens wurde von eiszeitlichen Gletschern geprägt und ist von deren Sedimenten bedeckt. Das Land ist nahezu flach mit kaum wahrnehmbaren Erhebungen und Flussebenen. In den Talsenken dominieren oft Wiesen und Schwarzerlenwälder, während die besseren Böden meist dem Ackerbau dienen und die trockenen Hügelkuppen von Wäldern mit Rotföhre, Stieleiche und Birke bewachsen sind.

Niedermoore im Polesie-Nationalpark

Weite Niedermoor-Landschaft im Spätsommer.

Im Polesie-Nationalpark haben sich große Niedermoor-Flächen erhalten, die ihre Fortsetzung in den Prypjat-Sümpfen in Weißrussland und der Ukraine finden. Ursprünglich waren viele dieser Flächen bewaldet und wurden erst mit der Landwirtschaft durch Mahd und Beweidung offen gehalten. Ich konnte dort seltene Vogelarten wie die Rohrweihe und den Schreiadler beobachten und einen Wasserschlauch finden, der als sogenannte „fleischfressende Pflanze“ seinen Nährstoffbedarf durch das Fangen von Wasserinsekten aufbessert.

Der Wasserschlauch ist eine insektenfangende Wasserpflanze.

Schwarzerlen-Bruchwälder sind typisch für den Polesie-Park sowie auch für andere Gebiete in Polen.

Lebensader Fluss Bug

Blick von einem der wenigen Steilufer auf den Bug.

Ein bedeutender Fluss im Osten Polens ist der Bug, der in der Ukraine entspringt, zeitweise die Grenze von Polen mit Weißrussland bildet und nördlich von Warschau in den Narrew und dann in die Weichsel mündet. Der Bug ist ein Tieflandfluss mit kaum wahrnehmbarem Gefälle und ausgeprägten Mäandern. Da er meist nicht reguliert ist, bildet er oft Steilufer und Altwässer in seinem Überflutungsgebiet. Hochwässer treten meist im Frühling auf, wenn der zugefrorene Fluss auftaut und sich mächtige Eisstöße ihren Weg flussabwärts bahnen. Dabei verlagert der Bug seinen Lauf und formt so die Landschaft.

Blauweiderich und Sandnelke.

Sand-Strohblume.

Auf den angrenzenden, durch Rinder beweideten Sandrasen, konnte ich Anfang September eine Gras-Nelke, eine Blauweiderich-Art und die Sand-Strohblume finden. Die Altarme waren von Teppichen der Krebsschere bedeckt und beherbergten unter anderem auch Teichrosen und Schwanenblume.

Die Altwässer sind oft von Beständen der Teichrose und der Krebsschere bedeckt.

Der Białowieża-Urwald

Wie in allen Urwäldern ist auch hier das große Totholzvorkommen typisch.

Ein international bekannteres Schutzgebiet ist der Białowieża-Urwald, der als letzter Tiefland-Urwald Europas gilt. Der Wald von Białowieża erstreckt sich sowohl auf polnischem als auch auf weißrussischem Gebiet. Ein Teil wird von den Staatsforsten bewirtschaftet, während ausgewiesene Gebiete sich selbst überlassen werden. Der wertvollste Teil ist ein Reservat, das nur im Rahmen einer Führung betreten werden darf und seit 1923 unter Schutz steht.  Zumindest seit dem Mittelalter findet dort keine Waldwirtschaft mehr statt, da der Wald das Jagdgebiet der polnischen Könige war und es den umliegenden Bauern verboten war, dort Holz zu schlägern.

Die Charakter-Baumarten des Urwaldes

Auffallend sind auch die über Jahrzehnte hohl gewordenen Baumindividuen, die für verschiedene Tierarten von Waldfledermäusen über Eulen bis zu Totholzkäfern wichtig sind.

Heute dominieren Hainbuche, Spitzahorn und Winterlinde den Urwald, während Rotbuchen aufgrund des kontinentalen Klimas fehlen. Auch die Fichte kommt hier natürlich vor, wurde aber außerhalb des Reservates vom Menschen gefördert. In feuchten Senken bildet die Schwarzerle zusammen mit der Fichte den Bestand, während die Zitterpappel nur dort eine Chance hat, wo durch Windwurf Lücken im Kronendach entstehen. Im Unterwuchs fielen mir die reiche Verjüngung von Spitzahorn, Hainbuche sowie der Hasel auf.

Europäischer Spitzenreiter in punkto Höhenrekorde von Bäumen

Die riesigen Stieleichen erreichen die größten Durchmesser von den in Białowieża vorkommenden Baumarten.

Im Białowieża-Urwald stehen die höchsten Laubbäume Europas: Stieleichen, Eschen und Winterlinden werden über 40 Meter hoch. Die Eichen und Linden erreichen Stammdurchmesser von über 2 Metern und werden bis zu 500 Jahre alt. Schwarzerlen erreichen immerhin 1m Durchmesser und die Fichten Höhen bis über 50 m.

An dieser lichten Stelle gibt es zwischen den alten Ahornbäumen eine üppige Verjüngung aus Bergulme und Hainbuche.

Durch die trockenen Sommer der letzten Jahre werden Fichten oft vom Borkenkäfer befallen und sterben ab. Auch das Eschentriebsterben hat Auswirkungen auf den Waldbestand, genauso wie die seit vielen Jahren auftretende Ulmenwelke. Aufgrund der Jahreszeit konnte ich Anfang September nicht wirklich viele Vögel wahrnehmen, dafür waren die Pilze, besonders jene, die auf Totholz gedeihen, umso zahlreicher.

An anderen Stellen ist der Wald dichter und dunkler, hier dominieren Farne und krautige Pflanzen den Waldboden.

Wisent – ein Megaherbivor als Landschaftspfleger

Die Hauptattraktion unter den Tieren ist der Wiesent, der eng mit dem amerikanischen Bison verwandt ist. Nach dem Ersten Weltkrieg gab es infolge von Wilderei nur noch wenige Individuen. Dank eines ehrgeizigen Zuchtprogrammes gibt es heute wieder ganze Herden dieser eindrucksvollen Tiere. Kurz nach dem Morgengrauen konnte ich auf Rundfahrten einige Wiesente sehen, wobei sich besonders die älteren Bullen bis in die Dörfer wagen, um dort nach Futter zu suchen.

 

Reise-Fazit

Der Wald von Białowieża wird immer wieder von Flussläufen und Sumpfgebieten unterbrochen.

Auf jeden Fall sind diese drei Gebiete, von denen 2 als Nationalparks geschützt sind und der Bug zumindest teilweise Natura2000-Gebiet ist, für naturbegeisterte Menschen ein lohnendes Reiseziel.

Alexander Bauer…

hat Landschaftsarchitektur an der BOKU studiert

liebt Pflanzen und Tiere

ist begeisterter Naturfreund