Wünsche erfüllen sich nicht nur zu Weihnachten. Oft beginnt es mit einem Traum, den wir verwirklichen wollen. Für mich war es mein Garten. Für Alexander Bauer ist es seine Streuobstwiese. Wie er seinen Wunschtraum verwirklichte und was ihn an seiner Streuobstwiese so fasziniert, erzählt er in diesem Blogbeitrag.

Text und Fotos: Alexander Bauer

Ich hatte schon länger den Wunsch, einmal ein eigenes Grundstück zu haben, um es selber bewirtschaften zu können. Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich mir dann im Waldviertel ein kleines Haus mit einer dazu gehörenden Streuobstwiese gekauft. Einerseits ist es mir wichtig, dass solche Elemente der traditionellen Kulturlandschaft erhalten werden. Und andererseits kann ich eigenes Obst ernten und verarbeiten. Auch die erforderlichen Arbeiten, wie das Mähen der Wiese mit der Sense oder der Winterschnitt der Obstbäume sind für mich ein guter Ausgleich zu meiner Arbeit im Büro. Wie im Waldviertel üblich, setzte sich der Baumbestand aus Apfelbäumen mehrerer Sorten, Zwetschkenbäumen sowie einem Kirsch- und einem Walnussbaum zusammen. Heuer habe ich ihn um 3 Birnbäumen sowie eine Quitte erweitert. Wie es scheint sind die Apfelbäume alles Halbstämme, was die Bewirtschaftung der Streuobstwiese mit größeren Maschinen stark einschränkt. Für die früheren Bewohner waren die Obstbäume wahrscheinlich zur Selbstversorgung gedacht. Als sogenannte „Kleinhäusler“ also Leute, die nur über einen begrenzten Grund verfügten und deshalb einer Nebenbeschäftigung z.B. als kleine Handwerker oder Tagelöhner nachgehen mussten, waren sie auf jede Möglichkeit angewiesen, die der eigene Grund hergibt. So habe ich auch erfahren, dass die Bewohner in den 1950er und 1960er Jahren eine Kuh hielten und so den Aufwuchs der Wiese nutzten, um eigene Milch zu bekommen.

 

Titelfoto: Im Frühling, wenn die Streuobstwiese in voller Blüte steht, ist sie besonders pittoresk. Foto oben, Sonja Schwingesbauer: Im August können bereits Äpfel geerntet werden.

 

Verschiedene alte Obstsorten der Streuobstwiese

Foto oben, Sonja Schwingesbauer: Heuer gab es bereits im August zahlreiche reife Äpfel. Sie sehen zwar nicht makellos aus. Aber ihr Geschmack ist einfach köstlich und nicht mit Supermarktware vergleichbar.

Von der heurigen reichen Apfelernte kann ich auch jetzt im Winter noch genug Früchte verwenden. Die zahlreichen alten Apfel- und auch Birnensorten, die bis zur Mitte des 20 Jahrhunderts in Europa kultiviert und vermehrt wurden haben sehr unterschiedliche Genussreifezeiten. Von den frühen Sorten, die man gleich nach der Ernte im Juli essen kann, bis zu den, mehrere Monate lagerfähigen Wintersorten. Aufgrund fehlender Kühlmöglichkeiten oder Importe war man in früheren Zeiten darauf angewiesen, um das ganze Jahr frisches Obst zu haben. Und so gibt es Äpfel, die frisch vom Baum nicht sehr wohlschmeckend sind, sondern erst im Jänner oder Februar ihr volles Aroma entfalten. Durch das verloren gegangene Wissen kann es passieren, dass solche Bäume beseitigt werden, in der Annahme, das Obst wäre von minderer Qualität.

Foto oben: Die Apfelblüte ist einfach immer ein wundervolles Erlebnis. Schon nach wenigen Wochen ist der Blütenzauber vorüber bis sich das bezaubernde Schauspiel wiederholt.

Die zwei ältesten Apfelbäume in meinem Bestand sind die Sorten „Prinz Albrecht von Preußen“ und „Haberts Renette“. Beides sind alte Sorten, die sich durch besondere Frosthärte auszeichnen. In den strengen Wintern des 20 Jahrhunderts wie im Jahre 1929 sind viele Obstbäume erfroren oder stark geschädigt worden. Im Waldviertel sind damals unter – 30 Grad Celsius gemessen worden. Daher spielte die Frosthärte der Sorten eine wichtige Rolle bei der Auswahl geeigneter Bäume.

Streuobstwiesen als Lebensraum vieler, oft schon selten gewordener Arten

Fotos oben, Sonja Schiwngesbauer: Alter Apfelbaum und Zwetschkenbaum mit zahlreichen Mikrohabitaten. Hier fühlen sich Flechten, Pilze, Insekten, Spinnen und Vögel wohl. Und obwohl die Baumstämme dieser Exemplare schon recht mitgenommen wirken, tragen sie noch immer reichlich Früchte.

Aufgrund zahlreicher Mikrohabitate wie Totäste, Baumhöhlen, Rindenritzen und ähnlichen sind alte Streuobstbäume für viele, oft schon selten gewordene Tierarten von Bedeutung. Da solche anbrüchigen Bäume an Straßen, in städtischen Parks oder in Gärten aufgrund von Sicherheitsbedenken oft entfernt werden und auch in Wäldern wegen geringeren Umtriebszeiten selten sind, gibt es Tierarten, deren Hauptverbreitung mittlerweile in Streuobstwiesen liegt. Eine davon ist der Eremit oder Juchtenkäfer, der in hohlen, mit Mulm gefüllten Baumhöhlen lebt und diese nur selten verlässt. Auch viele Vogelarten finden im alten Baumbestand gute Brutmöglichkeiten. Ich selber konnte bei mir den Gartenrotschwanz, einen typischen Bewohner lichter Baumbestände, bei dem das Männchen ein auffälliges Gefieder in den Farben orange, weiß und schwarz hat und einen unserer beiden Baumläuferarten entdecken. Letzterer hatte mehrmalig versucht in einer Spalte des alten Zwetschkenbaumes ein Nest anzulegen. Im gleichen Baum hat sich auch ein Staren-Pärchen eine verlassene Spechthöhle für seine Brut ausgesucht. Neben dem Angebot an Totholz und anderen Habitaten an Bäumen sind für Insekten auch die Blüten der Obstbäume, sowie deren Früchte interessant. So war ich überrascht, dass es die Blaueschwarze Holzbiene, unsere größte Wildbienenart, wahrscheinlich auf Grund der Klimaerwärmung, bis in das zentrale Waldviertel geschafft hat. Und das reife Fallobst war nicht nur für Wespen, sondern auch für Schmetterlinge wie den Admiral eine gefundene Mahlzeit. Bis in den Oktober habe ich an sonnigen Tagen zahlreiche Exemplare gesehen, wobei die überreifen Zwetschken für ihn besonders anziehend waren.

Foto oben, Sonja Schwingesbauer: Baumschwämme werden leider häufig als Anlass für Baumfällungen genannt. Sie durchdringen mit ihren Hyphen das Holz und zersetzen es nach und nach. Aus Versicherheitsgründen werden Bäume mit Pilzbefall häufig gefällt. Doch hier in der Streuobstwiese ist das glücklicherweise kein Thema.

Aber nicht nur für Tierarten, auch verschiedene Pilze besiedeln alte Obstbäume. So ist der Apfel-Feuerschwamm zwar ein Parasit, der die Bäume schädigt, aber der mächtige Fruchtkörper an diesem alten Apfelbaum zeigt, dass der Baum damit noch lange leben kann. Der Pilz zersetzt langsam das Kernholz, während der für die Versorgung des Baumes wichtige äußere Teil des Stammes intakt bleibt. Spechte nutzen so einen Baum häufig. Es bilden sich ausgedehnte Höhlungen und einzelne Äste sterben ab. All das bedeutet für viele Tierarten ein zusätzliches Angebot an Nistmöglichkeiten, Verstecken und ähnlichem. Da die meisten Bäume mitten in der Wiese stehen ist es in Streuobstwiesen nicht so schlimm, wenn ein Ast bei Sturm oder Schneelast abbricht. Da ich die Bäume aber möglichst lange erhalten möchte, kürze ich, wo es möglich ist, überlange Äste ein um sie vom Gewicht zu entlasten. Ich habe auch vor, die Bäume diesen Winter behutsam auszulichten, damit das Obst weiterhin gut ausgebildet werden kann.

Auch der Unterwuchs der Streuobstwiese ist von Bedeutung

Foto oben: Im Frühling ziert die Blüte des hellblau blühenden Vergissmeinnichts die Streuobstwiese.

Die Wiesenvegetation setzt sich im leicht hängigen Teil, dort wo die meisten Obstbäume stehen, aus Arten zusammen, die eher trockene bis frische, halbschattige Standorte mögen, wie Gewöhnliches Ferkelkraut, Frauenmantel, Vergissmeinnicht und Gamander-Ehrenpreis.

Foto oben: Feuchterer, nährstoffreicherer Teil mit dominanten Scharfen Hahnenfuß und halbschattiger Bereich unter den Obstbäumen mit Vergissmeinnicht im Frühling.

Wo es feuchter und nährstoffreicher wird, kommen Scharfer Hahnenfuß, Spitzwegerich, Wiesen-Fuchsschwanz und vereinzelt Kuckucks-Lichtnelke und Großer Wiesenknopf, sowie einige Seggenarten vor. Ich mähe immer nur Teilbereiche der Wiese mit der Sense – so bleiben Rückzugsräume mit höherer Vegetation für Insekten und andere Tiere stehen. Da ich das Mähgut abtransportiere und die Fläche nicht dünge, sollte die Wiese in Zukunft magerer und damit auch artenreicher werden. Ich freue mich schon, diese Veränderungen im Laufe der Jahre beobachten zu können.

Foto oben, Sonja Schwingesbauer: Dieser knorrige Ast bietet Moos und Flechten einen perfekten Lebenraum.