Oder: Wie ich lernte, das einst verhasste Unkraut lieb zu gewinnen.

 

Die Acker-Winde zählt zu einem der unbeliebtesten Wurzelunkräuter. Denn einmal vorhanden, ist sie kaum los zukriegen. Selbst aus dem kleinsten Würzelchen scheint sich wieder eine Acker-Winde zu entwickeln. Und versucht man das Kraut mit samt der Wurzel zu entfernen, scheint diese ewig lang zu sein.

 

Meine ersten Begegnungen mit dem Kraut

Als ich Landschaftsplanung studierte und meine ersten gärtnerischen Erfahrungen sammelte, begegnete mir die Acker-Winde erstmals namentlich. Und das nur im negativen Sinne. Niemand wusste ihr etwas Positives abzugewinnen. Sie sei ein unmögliches Unkraut, das nicht und nicht wegzubekommen sei. Diese Meinung hörte ich immer wieder. Und so war auch ich bald davon überzeugt: Die Acker-Winde ist eines der übelsten Dauerunkräuter, das es gibt. Gleichauf mit Quecke und Giersch. Punkt. Aus.

 

Die Acker-Winde in meinem Garten

Als ich meinen eigenen Garten hatte, stellte ich fest, dass dort wo mein Steppengarten entstehen sollte, alles mit diesem schrecklichen Gewächs kontaminiert war. Was tun? Ein Bodenaustausch? Dafür war damals das Budget zu gering. Und ich wollte auch keinen Bodenaustausch vornehmen. Ich wollte mit dem arbeiten, was da ist. Also blieb mir – nachdem ich die Beete angelegt hatte – nichts anderes übrig als jäten, jäten, jäten. Es schien eine Sisyphusarbeit zu sein. Und wenn ich an einem Ende fertig war, spross es schon wieder am anderen Ende.

Effizientes Jäten

Dann änderte ich meine Strategie. Ich ließ die Winde wachsen, wie es ihr lieb war. Um Johannis, also dem 24. Juni, kurz nach der Sommersonnenwende, versuchte ich die Pflanzen so gut zu entfernen, wie es ging. Das war ein Riesenerfolg. Denn nun gab es kaum noch Winden im Garten. Ich war total glücklich. Bis…

 

Ökologisch wertvoll: Futterquelle für viele Wildtierarten

Bis ich den ökologischen Wert der Pflanze kennenlernte. Denn die Acker-Winde dient zahlreichen Insekten als Nahrungsquelle wie Wildbienen, Käfern, Schwebfliegen, Schmetterlingen.

Die Spiralhornbiene, Systropha sp., ist ein Nahrungsspezialist. Sie ernährt sich oligolektisch von Winden. Nur die Männchen haben die spiralförmigen Fühler, die namensgebend für die Gattung ist.

Auch diese kleine Wildbiene (Foto links) hat sich an der Windenblüte gelabt. Der Wollschweber, Systoechus stenopterus, (Foto rechts) saugt mit seinem langen Rüssel den Nektar.

Auch die Schwebfliegen lieben die Acker-Winde. Gestern habe ich gleich 3 verschiedene Arten zur selben Zeit beobachtet: Breitband-Feldschwebfliege, Eupeodes latifasciatus (Foto links oben), Hainschwebfliege oder Gemeine Winterschwebfliege, Episyrphus balteatus (Foto Mitte oben) und Späte Großstirnschwebfliege, Scaeva pyrastri (Foto rechts oben).

Der Scheinbockkäfer, Oedemera flavipes, ist ein ausgesprochener Blütenbesucher (Foto links).

 

Und auch Schmetterlinge und  Schmetterlingsraupen haben sie als Futterpflanze. So änderte sich meine Meinung über das schreckliche Unkraut.

Der Windenschwärmer, Agrius convolvuli ist ein tropischer Schwärmer, der als Wanderfalter auch regelmäßig in Mitteleuropa zu beobachten ist. Die Raupe ist eindrucksvoll. Sie ist über 10 cm lang und frisst bevorzugt Acker-Winden. Zur Verpuppung gräbt sie sich in die Erde ein. Die Imago ist meist nachts aktiv und saugt an unterschieldichen Blütenpflanzen wie Seifenkraut und Tabakblüten. Der bis zu 13 cm große Schwärmer kann im Flug aufgrund seiner Größe auch mit einer Fledermaus verwechselt werden.

Das Federgeistchen wird auch Weiße Winden-Federmotte genannt. Der schneeweiße Falter hängt tagsüber gerne an Gräserhalmen. Pterophorus pentadactyla hat dann tatsächlich etwas von einem Geistchen. Die raupe firsst ausschließlich Windenblätter.

Eigentlich auch schön

Wer die Acker-Winde genauer betrachtet, wird ihre Schönheit entdecken. Ihr elegant schlingender Spross, der an anderen Pflanzen emporwächst. Die trichterförmigen weißen Blüten, die außenseitig oft rosa überhaucht sind. Die Acker-Winde, auf botanisch Convolvulus arvensis, gehört zu den Windengewächsen, Convolvulacae. Diese Pflanzenfamilie umfasst bei uns nur wenige Arten. Von der Gattung Convolvulus selbst gibt es neben der Acker-Winde nur die Kantabrische-Winde, Convolvulus cantabrica, ein Florenelement aus dem mediterranen Raum.

Die Acker-Winde besiedelt Ruderalfluren, Äcker und Gärten. Bis zwei Meter lang kann ihr Spross werden. Durch ihre lange Blütezeit von Juni bis September, bietet sie lange eine Nahrungsquelle für ihre Besucher.

 

Freude an den Blütengirlanden und Blütenbesuchern

Mittlerweile habe ich mich mit der Acker-Winde versöhnt und arrangiert: Sie darf im Rasen und meinen Ruderalflächen wachsen. Wenn sich der Rasen im Sommer braun färbt, werten die weißen Blumen ihn auf. Und in den Ruderalbereichen steht sie in Konkurrenz mit Natternkopf und Co. Hier macht sie mir und ihren Blütenbesuchern Freude.