Der zweitägige Fachkongress „Biodiversität Gebäudegrün“ fand am 24. und 25. April 2024 in Düsseldorf statt. Organisator ist der Bundesverband GebäudeGrün e.V., kurz BuGG. In 5 Themenblöcken wurde Biodiversität unter verschiedenen Aspekten betrachtet.

Was ist Biodiversität?

Der Zitronenfalter braucht als Imago Blüten mit Nektar als Nahrung. Seine Raupe frisst jedoch ausschließlich das Laub von Kreuzdorngewächsen. Wenn der Falter nicht alles hat, was er zum Leben braucht, wird man ihn kaum beobachten können.

Unter Biodiversität ist die biologische Vielfalt, vereinfacht die Vielfalt des Lebens auf der Erde, zu verstehen. Sie schließt alle Lebensräume, alle Arten und deren genetische Vielfalt mit ein.

Die Vortragenden des ersten Blocks definierten den Begriff und betrachteten ihn jeweils aus ihrer Tätigkeit. DI Andreas Seitz vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und Dr. Sebastian Schmauck vom Bundesamt für Naturschutz umrissen ihre Aufgabengebiete in Deutschland. Fritz Wassmann-Takigawa der Schweizerischen Vereinigung Gebäudebegrünung veranschaulichte in seinem Beitrag, wie Biodiversität am Gebäude aussehen und positiv wirken kann.

Rechtlicher Rahmen

Die Politik kann die Weichen stellen, wie wir Biodiversität fördern können. In der Wiener Bauordnung der Stadt Wien ist die Gebäudebegrünung mittlerweile rechtlich verankert. Dieses Projekt in der Seestadt Aspern von DnD Landschaftsplanung, wo ich als Pflanzplanerin tätig bin, hat bereits Vertikalbegrünungen, obwohl es zu dieser Zeit noch nicht rechtlich vergeschrieben war.

Im zweiten Themenblock wurde die Gesetzeslage von Biodiversität und Gebäudebegrünung mit besonderem Blick auf Deutschland und die EU behandelt. DI Johannes Rolfes vom Grünflächenamt der Landeshauptstadt Düsseldorf zeigte, welche Spielräume es auf Stadtebene gibt, um die Qualität der Grünräume, zu denen auch das Gebäudegrün zählt, zu beeinflussen. Frau Melanie Gronewald der Abteilung Naturschutz, Landschafts- und Grünplanung des Umwelt- und Grünflächenamtes der Stadt Bochum führte die Vorteile aus, wenn der Naturschutz im Grünflächenamt angesiedelt ist. Tobias Roß von DOMBERT Rechtsanwälte betrachtete die Ökopunkteregelung in Deutschland unter dem rechtlichen Aspekt.

Diese Panelbegrünung bietet Nahrung sowie Lebensraum für Wildtiere und beschattet die Innenräume. Das Panel wurde von Rataplan Architekten geplant und von mir bei DnD Landschaftsplanung begrünt.

DI Jürgen Utz der List AG in Nordhorn führte das Publikum in die künftige ESG-Reportingpflicht (ESG= Environment, Social, Governance zu Deutsch: Umwelt, Soziales, Verwaltung) CSRD (=Corporate Sustainability Reporting Directive zu Deutsch: Nachhaltigkeitsberichtspflicht von Firmen) ein. Hierbei geht es vereinfacht um die künftige Verpflichtung vieler Firmen, ihre Auswirkungen auf die Natur und den Ressourcenverbrauch in Berichten darzustellen. Die zentrale Idee hierbei ist: Je größer die negativen Auswirkungen auf Natur und Ressourcenverbrauch, desto mehr Ausgleichsmaßnahmen muss ein Betrieb leisten, um wirtschaftlich künftig nicht benachteiligt zu werden. Das soll das Bemühen der Firmen sicherstellen, sich für Nachhaltigkeit und den Schutz der biologischen Vielfalt zu engagieren.

Forschungsarbeiten – Wissenschaftliche Untersuchungen

Artenreiche Ansaaten mit Wildpflanzen wie hier und Nistplätze wie Totholzstrukturen sind ein essentieller Bestandteil unserer Gebäudebegrünung bei DnD Landschaftsplanung.

Themenblock 3 stand unter dem Forschungsaspekt zur Biodiversität am Gebäude.  Dr. Leoni Mack der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, kurz LWG, in Veichtshöchheim stellte ihre Forschungsarbeiten zur bienenfreundlichen Gestaltung von wandgebundener Fassadenbegrünung vor. Anschließend folgen Beiträge des Institutes für Umwelt und Natürliche Ressourcen an der ZHAW – Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften – in Wädenswil, Schweiz. Dr. Stephan Brenneisen stellte seine Forschungen über Käfer- und Heuschreckenarten auf begrünten Dächern vor. Seine Kollegin Dr. Franziska Opitz umriss ihre Arbeit über das Artenspektrum von Wildbienenarten auf Gründächern. Und Lukas Meyer stellte die Ergebnisse seiner Bachelorarbeit zu Nahrungsnetzuntersuchungen auf zwei Habitatsdächern in Basel vor.

Totholz ist ein wichtiger Lebensraum für viele Insekten und deren Larven. Laubhölzer sind zu bevorzugen. Neben den horizontal gelagerten Hölzern sind auch vertiakle Totholzstrukturen wertvoll.

Prof. Dr. Kathrin Kiehl der Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur der Hochschule Osnabrück berichtete von ihren Forschungen zur Dachbegrünung mit regionaltypischen, also heimischen Wildpflanzen, ihrer Entwicklung und der Nutzung durch blütenbesuchende Insekten.

Das Forschungsteam Melina Wocher vom Institut für Akustitk und Bauphysik, Eva Bender, Institut für Landschaftsplanung und Ökologie Stuttgart und Julian Käß von Helix Pflanzensysteme GmbH stellten ihre Erfahrungen und Ergebnisse der „Wilden Klimawand“ und der „Biodiv-Fassade“ vor.

Benjamin Van der Auwera von SGS Industries & Environment, Global Market Manager – Real Estate aus Belgien bewarb die DNA Insect-Scan Methode seiner Firma. Sie dient der schnellen Bestimmung von Tieren auf Gattungs- und teilweise Artebene, in diesem Fall speziell für Insekten auf Grünfassaden und Gründächern.

Praxisbeispiele

Vertikalbegrünung und Extensivdach geplant von DnD Landschaftsplanung: In diesem Innenhof wurde ein Kiesdach zu einem extensivem Sedumdach mit kleinen Hügelchen mit Gräsern und Kräutern. Damit die Vertikalbegrünung realisiert werden konnte, musste ein Panel mit Substratgefäßen und Rankhilfen konstruiert werden.

In Themenblock 4 folgte ein Kaleidoskop an unterschiedlichsten umgesetzten Projekten und Planungszugängen sowie Vorstellung von Begrünungssystemen. Ricardo Di Felice und Reiner Hermann von Knauf Insulation d.o.o. stellten ihre Leichtsysteme von Dachbegrünungen vor.  Manuel Andreatta von Weiss + Appetito GmbH zeigte in seinem Beitrag die Umsetzung des Biodiversitätsgründaches des Postverteilerzentrums in Vomp in Tirol. Andreas Dreisiebner, A777 Gartengestaltung, Seuzach und Solarspar aus Sissach veranschaulichte in seinen Projekten die Kombination von Solar- und Windgewinnung auf begrünten Dächern.

Neben den Pflanzenmischungen hat auch die Substratwahl Auswirkungen auf die Flora und schließlich auch auf die Wildtierbesiedelung. Neben den Dachsubstraten sollte es auch Kies und lehmigen Sand geben. Letzterer kann von Wildbienen und anderen Wildtieren als Nistplatz genutzt werden.

DI (FH) Petra Bigoh von ZinCo GmbH stellte Projekte mit regionaltypischen Vegetationsformen in Deutschland und Norwegen vor. Auch Michael Duss von Paul Bauder GmbH & Co. KG zeigte Projekte mit Biotopdächern. Dr. Reinhard Witt, der Naturgartenplaner aus Regensburg, besprach in seinem Vortrag mögliche Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung bereits bestehender Dachbegrünungen. Prof. Dr. Wolfgang Weisser von Studio Animal-Aided-Design aus Berlin stellte seinen Planungsansatz vor.  Und DI (FH) Johann Senner der Planstatt Senner GmbH aus Überlingen schloss den Themenblock auf eindrucksvolle Weise, indem er das Publikum den Zugang zur Planung und den Planungsprozess seines Büros sinnlich erleben ließ.

Förderung und Zertifizierung

Im letzten Themenblock ging es um Fördermöglichkeiten und Bewertungsinstrumente, um die Qualität von Gebäudebegrünungen zu eruieren. Dazu gab es Beiträge von Rebecca Gohlke vom BuGG, DI Sylvi Eckart und DI Nina Schaar der Bundesanstalt für Bau-, Stadt- und Raumforschung sowie von Carla Schweizer der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.

Fazit zum Kongress Biodiversität von Gebäudegrün

Stieglitze sind recht häufig anzutreffen. Diese simple Vertikalbegrünung wurde zum Neststandort einer Stieglitzfamilie in der Seestadt Aspern. Planung: DnD Landschaftsplanung.

Alle Teilnehmenden waren sich einig, dass wir viele Anstrengungen auf allen Ebenen leisten müssen, um unsere Artenvielfalt zu bewahren. Es gibt nicht DIE Lösung, sondern es sind individuelle Ansätze gefragt. Außerdem zeigte sich, dass auch hochwertige Biodiversitätsgründächer nicht die natürlichen Biotope ersetzen, sondern nur ergänzen können. Daher muss das höchste Ziel weiterhin sein, naturnahe Ökosysteme zu erhalten. Und des Weiteren die Versiegelung und Zerstörung von Böden so gering wie möglich zu halten. Das schützt nicht nur die Biodiversität, sondern ist auch im Hinblick auf die Klimaveränderung und die Erhaltung der Ökosystemleistungen enorm wichtig.

Meine persönliche Einschätzung meiner Tätigkeit bei DND Landschaftsplanung

Die Panelbegrünung aus der Nähe. Bereits im Frühling gibt es Blüten mit Nektar. Die Auswahl von Pflanzen kann den Besuch von Insekten stark beeinflussen.

Seit meinem Eintritt 2013 in das Büro DND Landschaftsplanung hat sich auch unser planerischer Zugang zu den Freiräumen stetig weiterentwickelt und gewandelt. Seit einigen Jahren gibt es die Sparte Biodiversitätsplanung. Sie verfolgt den Ansatz des Animal-Aided-Design, bestimmten Zieltierarten – abgestimmt auf ihren Lebenszyklus – ein lebenswertes Habitat zu bieten. Auch die Gestaltung von Parkanlagen hat sich stärker auf die Bedürfnisse von Wildtieren angepasst. So gibt es etwa im Sturm Park 19 in St. Pölten, der im Sommer eröffnet wird, einen eigenen Biodiversitätsgarten und großflächige Ansaaten mit regionalem Saatgut. Neben der Planung ist auch ein wildtierfreundliches Pflegekonzept ein Teil der Planung. Denn gerade in der Erhaltung und den dabei geleisteten Pflegeeingriffen, kann man Wildtieren extrem schaden oder sie fördern. Jedenfalls habe ich für mich viele Anregungen mitgenommen, um auch künftig unsere wild-schönen Biodiversitätsflächen qualitativ hochwertig entwickeln zu können. Möge die Übung gelingen.