Foto: Zweifarbige Schneckenhausbiene, Osmia bicolor. Quelle: Albert Krebs, Entomologie/Botanik, ETH Zürich, CC BY-SA 4.0
Interview über Wildbienen mit der Biologin Sylvia Wanzenböck anlässlich des Weltwildbienentages. Sie schildert, was so faszinierend an Wildbienen ist, weshalb wir sie brauchen und was wir für sie tun können.
Sonja: Hallo Sylvia. Du bist Biologin und hast dich auf Wildbienen spezialisiert. Was fasziniert dich an Wildbienen?
Sylvia: Hallo Sonja, ich finde, das großartige an Wildbienen ist zum einen ihre Artenvielfalt – in Österreich gibt es ca. 700 Wildbienenarten. Aber auch ihre Diversität in Form und Farbe und ihre verschiedenen Lebensraum- und Nahrungsansprüche sind beeindruckend. Zum anderen sind sie wichtige Elemente unseres Ökosystems und tragen auch maßgeblich zur Produktion unserer Nahrungsmittel bei. Im Frühling gewährleisten Wildbienen zum Beispiel die Bestäubungssicherheit von früh blühenden Obstgehölzen, da einige Arten, wie die Hummeln, auch bei sehr geringen Temperaturen fliegen.
„Wildbienen sind wichtige Elemente unseres Ökosystems und tragen maßgeblich zur Produktion unserer Nahrungsmittel bei.“
Hummeln fliegen auch bei niedrigen Temperaturen und besonders in höheren Lagen sind sie wichtige Bestäuber.
Sonja: Gibt es eine Gattung oder Art, die dich besonders interessiert? Und wenn ja, warum?
Sylvia: Besonders beeindruckt mich das Brutverhalten der Schneckenhausbienen! Diese Arten legen ihre Nester ausschließlich in leeren Schneckenhäusern an. Das Weibchen der Zweifarbigen Schneckenhausbiene (Osmia bicolor, siehe Foto ganz oben und Fotos unten), zum Beispiel, sucht sich im Frühling ein Gehäuse an einer passenden Stelle aus und legt im Inneren einzelne Brutzellen an. In jede dieser Zellen werden Pollen als Proviant und ein Ei gelegt und danach sorgfältig verschlossen. Zum Schutz vor Parasiten legt sie am Ende einen Hohlraum an, den sie mit Erdkrümel und kleinen Steinchen füllt und mit Pflanzenmörtel verschließt. Danach richtet sie das Schneckenhaus so aus, dass die Öffnung zum Boden schaut, damit kein Wasser eindringen kann. Um ihr Nest zu tarnen, fängt sie nun an, Holzstücke, Halme und Kiefernnadeln heranzuschaffen. Dabei transportiert sie fliegend Stücke, die viel länger sind als sie selbst. So errichtet sie nach und nach ein Dach aus Pflanzenteilen, um so das Schneckenhaus zu verstecken.
So legt die Schneckenhausbiene ihr Nest an
Zuerst wird das Schneckenhaus mit Pflanzenteilen überzogen. Quelle: Albert Krebs, Entomologie/Botanik, ETH Zürich, CC BY-SA 4.0
Ist das Nest angelegt, wird es mit Ästchen verdeckt. Quelle: Albert Krebs, Entomologie/Botanik, ETH Zürich, CC BY-SA 4.0
So ist das Nest gut getarnt. Quelle: Albert Krebs, Entomologie/Botanik, ETH Zürich, CC BY-SA 4.0
Größenvergleich von Nest und Gräserhorst. Quelle: Albert Krebs, Entomologie/Botanik, ETH Zürich, CC BY-SA 4.0
Foto oben: Im Inneren des Schneckenhauses entwickelt sich die Wildbienenlarve vom Proviant. Quelle: Albert Krebs, Entomologie/Botanik, ETH Zürich, CC BY-SA 4.0
„Wenn viele Honigbienenvölker auf einer relativ kleinen Fläche angesiedelt werden, benötigen sie große Mengen des vorhandenen Blütenangebots. Die Wildbienen finden dann weniger Nahrung und können ihre Nachkommen nicht ausreichend versorgen.“
Sonja: Wie gefährdet sind Wildbienen? Was sind Gefahrenquellen?
Sylvia: Wildbienen sind grundsätzlich von den gleichen Faktoren betroffen, die generell für das Insektensterben verantwortlich sind. Darunter fällt der Einsatz von Pestiziden, die intensive Landwirtschaft, der Verlust an kleinräumigen und diversen Habitaten und die Flächenversiegelung. Auch durch falsche oder schlecht getimte Pflegemaßnahmen, z.B.: zu zeitige Mahd im Frühling, können Arten gefährdet sein, da ihnen die Nahrungsquellen genommen werden. Auch die Erhöhung der Temperatur spielt eine wichtige Rolle – hier gibt es allerdings Gewinner und Verlierer unter den Wildbienen. Einige Arten aus dem pannonischen und mediterranen Raum, profitieren von den steigenden Temperaturen und haben sich in den letzten Jahren immer weiter in Österreich ausgebreitet. Andere Arten, wie zum Beispiel die Hummeln, sind vorwiegend an kühle Temperaturen angepasst. Durch die Erwärmung verlagert sich ihr bevorzugtes Temperaturspektrum nach Norden und in höhere Lagen oder verschwindet in gewissen Gebieten völlig. Dadurch kann es zum kompletten Verschwinden mancher Hummelarten in diesen Gebieten kommen. Allerdings ist nicht nur die Temperaturerhöhung ein Problem, sondern auch die Trockenheit. Viele Sommerarten finden oft nicht mehr genug Nahrung, da ein Großteil der von den Wildbienen genutzten Pflanzen in den heißen Monaten vertrocknen oder nach einer Mahd nicht mehr neu austreiben können. Dazu kommt auch eine gewisse Konkurrenz durch Honigbienenvölker. Wenn viele Honigbienenvölker auf einer relativ kleinen Fläche angesiedelt werden, benötigen sie große Mengen des vorhandenen Blütenangebots. Die Wildbienen finden dann weniger Nahrung und können ihre Nachkommen nicht ausreichend versorgen.
Wer morgens in den Garten geht, kann Schlafgemeinschaften von Wildbienenmännchen entdecken.
„Für mich ist es ein wichtiges Anliegen, die Menschen über Wildbienen aufzuklären und klarzumachen, dass man das Bienensterben nicht mit dem Aufstellen eines Honigbienenvolkes aufhalten kann.“
Sonja: Wie engagierst du dich für Wildbienen?
Sylvia: Ich arbeite mit Wildbienen und führe wissenschaftliche Untersuchungen durch, um damit unser Wissen über sie zu erweitern. Sowohl über ihre Verbreitung als auch ihr Verhalten gibt es noch viel zu erforschen, denn nur wenn man die Ansprüche der verschiedenen Arten versteht, kann man sie bestmöglich schützen. Ich fotografiere Wildbienen schon seit vielen Jahren und versuche, damit ihre Vielfalt und Besonderheit den Menschen näher zu bringen. Dabei spornt mich die Herausforderung an, ein gutes Foto von einer Wildbiene in ihrem natürlichen Lebensraum zu machen. Für mich ist es auch ein wichtiges Anliegen, die Menschen über Wildbienen aufzuklären und klarzumachen, dass man das Bienensterben nicht mit dem Aufstellen eines Honigbienenvolkes aufhalten kann. Honigbienen sind Nutztiere und werden vom Menschen gezüchtet. Wenn ein Stock stirbt, wird einfach ein neues Volk gezüchtet, aber diese Möglichkeit gibt es bei Wildbienen nicht. Daher ist es wichtig, dass jeder seinen Beitrag leistet – sei es durch den Verzicht auf Pestizide im eigenen Garten oder das Anlegen von Blühstreifen an den Feldrändern oder neben einer Straße.
Wildbienen unterscheiden sich teilweise sehr stark im Aussehen von Honigbienen. Die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) hat einen rundlichen Körperbau. Sie ist eine sehr häufige Wildbiene und auch einfach im Garten anzusiedeln und auch anzusprechen.
Sonja: Sylvia, du bist aktiv in der Forschung von Wildbienen tätig. An welchen Projekten hast du geforscht? Und gibt es ein aktuelles Forschungsprojekt?
Sylvia: Ich habe in den letzten Jahren an mehreren Wildbienen-Monitoringprojekten gearbeitet. Für den Tiergarten Schönbrunn habe ich beispielsweise eine Artenliste der dort vorkommenden Wildbienenarten erstellt. Für die Gartenbauschule Schönbrunn habe ich ein Monitoring durchgeführt, bei dem die Fragestellung behandelt wurde, welche Wildbienen auf bestimmten Pflanzenkulturen zu finden sind, um ihre Relevanz und ihren Einsatz in Saatgutmischungen abschätzen zu können. Aktuell arbeite ich am Naturhistorischen Museum Wien in einem Projekt, das die Rote Liste der Wildbienenarten für Österreich erstellt. In dieser Liste werden alle Wildbienenarten angeführt, die in Österreich gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben sind.
Wildbienen brauchen ausreichend Nahrungsquellen über die ganze Vegetationsperiode. Blumengärten sind daher eine wichtige Nahrungsquelle.
„Egal ob im Garten oder auf dem Balkon – es ist wichtig, möglichst viele verschiedene Habitate anzubieten, so kann man sich sicher sein, dass die eine oder andere Wildbiene vorbeikommen wird.“
Sonja: Kann man Wildbienen auch im eigenen Garten oder auf dem Balkon fördern? Und wenn ja, wie?
Sylvia: Natürlich, und dafür ist oft gar nicht viel nötig! Wenn man einen Garten hat, reicht es oft schon, ein „wildes“ Eck anzulegen. Das kann man einfach erreichen, wenn man die Rasenfläche nicht jedes Mal vollständig mäht, sondern nur parzellenweise damit immer ein paar Blüten für die Wildbienen stehen bleiben. Man kann auch Pflanzen setzen, die von Wildbienen gerne angenommen werden, dazu zählen Salbei, Schwert-Alant und Obstbäume. Es ist auch wichtig für passende Nistmöglichkeiten zu sorgen, denn nur wenn diese vorhanden sind, kommen verschiedene Wildbienenarten vor. Hier gibt es unter anderem bodennistendende und hohlraumnistende Arten. Die Bodennister benötigen offene oder nur spärlich bewachsene Bodenstellen, in die sie selbst ihre Nester graben. Wenn solche Stellen nicht im Garten vorhanden sind, kann auch ein Sandarium angelegt werden. Für Hohlraumnister kann ein Insektenhotel zur Verfügung gestellt werden, aber auch markhaltige Stängel von Brombeere oder Königskerze werden von manchen Arten für den Nestbau benötigt. Egal ob im Garten oder auf dem Balkon – es ist wichtig, möglichst viele verschiedene Habitate anzubieten, so kann man sich sicher sein, dass die eine oder andere Wildbiene vorbeikommen wird.
Sylvia Wanzenböck
Veranstaltungs-Tipp:
Wer Sylvia Wanzenböck persönlich kennenlernen möchte, hat dazu beim Wildbienentag der Bio-Forschung Austria am 20. Mai 2023 die Möglichkeit.
Buch-Tipps:
Wilde Bienen von Hein Wiesbauer, 3. Auflage