Die schlechte Nachricht
Das ist leider kein Wohlfühlartikel über das eigene kleine Gartenglück. Unseren geliebten Gartenvögeln, Wildbienen, Schmetterlingen und Co. geht es an den Kragen. Das bestätigt die Artenschutzkonferenz von Paris in diesem Frühjahr (siehe dazu Die Zeit Artikel „Eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht“). Die Summe der negativen Einflussfaktoren wie Pestizideinsatz, Intensivierung der Landnutzung, zunehmende Bodenversiegelung und Urbanisierung, extreme Witterungsverläufe… all das scheint nun tatsächlich vielen Individuen die Existenz zu kosten. Die Prozesse der Veränderung verlaufen schleichend. Und wir bemerken nicht, dass sich unser Umfeld zu einem trostlosen und lebensfeindlichen Ort für das gros jener Tier- und Pflanzenarten verwandelt, die wir als schön und bereichernd empfinden.
Die Amsel, Turdus merula, ist vom Usutu-Virus regelmäßig betroffen. Hier ein Männchen.
Das Amselsterben – ausgelöst durch den Usutu-Virus
In meinem Gartenumfeld etwa sind, seit letztem Sommer, die Amselweibchen verschwunden. Der Usutu-Virus ist wieder ausgebrochen (siehe dazu NABU-Artikel „Usutu auf dem Weg nach Nordern“). Bereits in den ersten Jahren der Jahrtausendwende ist es zum Ausbruch des Virus gekommen. Er stammt ursprünglich aus Afrika. Vor allem Amseln, aber auch andere Vogelarten werden befallen. Und der Krankheitsverlauf endet in der Regel tödlich. Mittlerweile sind zwar wieder männliche Amseln im Garten zu beobachten, doch keine Amselweibchen weit und breit. Übertragen wird das Virus über Stechmücken. Und der Virus scheint sich durch Wärme besonders gut entwickeln zu können. Also ein Ergebnis des Klimawandels?
Das Wiener Nachtpfauenauge, Saturnia pyri, ist der größte mitteleuropäische Falter. Seine Raupen lieben das Laub von Obstbäumen. Und das wird durch den intensiven Pestizideinsatz im Obstbau zur tödlichen Falle für die Tiere.
Dieses Exemplar habe ich letzte Woche in meinem Garten erblickt. Das erste Mal, in meinem nun 42 Jahre langem Leben, dass ich diesen außergewöhnlichen Falter als Imago in der Realität beobachten durfte. Ein wahrhaft wunderbares Erlebnis!
Wildbienen, Schmetterlinge und Co. – Overkill durch Faktorenkombination?
Auch unsere Blütenbesucher sind im rapiden Rückgang begriffen. Und hier scheinen sich unterschiedliche Faktoren negativ auszuwirken:
- Fehlendes Nahrungsangebot über die gesamte Lebensspanne.
- Pestizide, die in der Produktion und im Garten eingesetzt werden.
- Insektenfeindliche Bewirtschaftung und Gartenpflege.
- Fehlende Nistmöglichkeiten.
- Verinselung und Beschneidung der Lebensräume.
Die Liste lässt sich fortsetzen. Leider. Hinzu kommen die Stressfaktoren durch extreme Witterungsverläufe wie Hitze und Trockenheit, gefolgt von Kälte und Nässe.
Im eigenen Garten beginnen – Bio, Artenvielfalt schaffen und nach dem Laissez–faire-Prinzip pflegen
Wir selbst können etwas bewirken. Wer seinen Garten biologisch bewirtschaftet, schafft eine lebensfreundliche Basis für Regenwurm und Co. Wir betrachten den Garten wie ein eigenes kleines Ökosystem, das auf Kreisläufen und Nahrungsketten basiert.
Nicht gleich aufgeben
Wer von konventionellem Gärtnern auf Bio umstellt, kann unliebsame Erfahrungen machen wie starken Befall durch Blattläuse und andere Schadtiere. Aber auch aggressive Unkräuter können überhand nehmen. Nicht aufgeben! Es lohnt sich wirklich durchzuhalten.
Vielfalt an Pflanzen und Strukturen fördert die tierische Artenvielfalt
Je reichhaltiger unser Garten oder Balkon begrünt ist, desto mehr schöne und nützliche Wildtiere siedeln sich an. Kräuter und Blumen im Rasen, im Beet und Nutzgarten etablieren. Gehölze – Sträucher, Bäume, Kletterpflanzen – setzen. Sie sind Nahrungsquelle, Bruthabitat und Lebensraum in einem. Durch ein Blütenangebot von Vorfrühling bis Herbst, Wildfrüchten und Unterschlupfen finden interessante Tiere den Weg in den Garten.
Pflege nach dem Laissez–faire-Prinzip
So wenig wie nötig. Nur eingreifen, wenn es unsere lenkende Hand benötigt. Auch Wildwuchs wie Brennnesselbestände und Ackerwinden zulassen. Sie sind eine wichtige Nahrungsquelle für viele Wildtiere.
Mit Extras den Garten aufwerten
Wasser, zusätzliche Nisthilfen, Tagesquartiere und Unterschlupfe für nachtaktive Tiere, wirken sich positiv auf das Leben unserer Gartenbewohner aus. Es braucht oft nicht viel. Schon eine Wasserschale zum Baden und Trinken für Vögel hilft.
Konsumverhalten überdenken – bewusster Kaufentscheidungen treffen
Doch nicht nur durch das eigene Tun oder besser nichts tun im Garten unterstützen wir die Natur. Auch als Konsumenten können wir Klimawandel und Artensterben entlasten.
Weniger ist mehr – hochwertige, regionale und biologische Lebensmittel kaufen
Saisonale Lebensmittel aus regionaler Produktion unterstützen die heimischen Landwirte. Und wirken sich positiv auf unseren ökologischen Fußabdruck aus. Hochwertige Nahrungsmittel sind auch für unseren Körper besser verwertbar und halten uns gesund. Wer sie mit Früchten und Kräutern aus dem eigenen Garten kombiniert, kann wirklich genießen und nicht nur konsumieren.
Minimalismus ist in – eine Frage des Lebensstils
Die Gier nach mehr ist echt von gestern. Wir müssen unseren Lebensstil endlich an das 21. Jahrhundert anpassen. Und positive Vorbilder dazu finden sich gerade auch in der jüngeren Generation. Eine eigene Wohnung? Wozu? WG ist doch viel sozialer und günstiger. Ein eigenes Auto? Ich fahre Rad oder nehm die Öffis. Shopping als Freizeitbeschäftigung? Do-It-Yourself als Gegenantwort. Diese reflektierte Lebenshaltung fehlt leider vielen Menschen aus unserer Generation 40plus, zu der auch ich mittlerweile zähle.
Einfach Leben
Mein Garten wird wohl nie in einem Hochglanzmagazin präsentiert werden. Und auch mein Lebensstil ist zu wenig glamourös und luxuriös, um es in ein Lifestyle-Magazin zu schaffen. Doch das ist auch nicht mein Lebensziel. Ich möchte, dass mein Leben reichhaltig an interessanten Erfahrungen und schönen Erlebnissen ist. Und dazu zählen für mich besonders meine unmittelbaren Naturerlebnisse im Garten. Sie machen mich einfach glücklich.
Nachlese – eine kleine Auswahl an Beiträgen zum Artensterben
Spiegel online „Der Frühling ist stumm geworden“
Süddeutsche Zeitung „Der Mensch verdrängt eine Million Tier- und Pflanzenarten“
Profil online „Das leise Sterben: Wie unsere Tier- und Pflanzenwelt verschwindet“
Stadt Wien, Presse Service – Rathauskorrespondenz: „MA 22: Gemeinsam gegen das Artensterben – Stadt setzt zahlreiche Maßnahmen“