Mitten im niederösterreichischen Weinviertel liegt ein menschengemachtes Naturjuwel. Wie eine grüne Perlenkette liegt die imposante Baumallee von Schloss Ladendorf eingebettet in der Kulturlandschaft. Ein besonderer Ort mit besonderer Atmosphäre. Ein Naturdenkmal.

 

Entstehung der Allee

Foto oben: Die vierreihige Linden-Allee in Ladendorf ist etwa vier Kliometer lang und von oben gut erkennbar.

Rund um 1722, also vor mehr als über 300 Jahren, wurde die Allee angelegt. Als landschaftliches und vegetabiles Gestaltelement hatte sie die Funktion, den Weg zum herrschaftlichen Schloss Ladendorf zu weisen. Um die Allee noch imposanter und monumentaler erscheinen zu lassen, wurde sie nicht wie üblich zweireihig, sondern als vierreihige oder doppelreihige Allee angelegt. Die etwa vier Kilometer lange Allee ist eine Landmarke, die von weitem sichtbar ist.

Skulpturale Baumriesen – Zeugen der Gartenkultur

Foto oben: Hohle Baumstümpfe in denen ein erwachsener Mensch hineinsteigen kann. Man fühlt sich wie im Märchen „Das Feuerzeug“ von Hans Christian Anderson, wo der Soldat von der alten Hexe angewiesen in den Stumpf steigt, um Gold und das Feuerzeug aus der Tiefe zu holen.

Foto oben links: Knorrige absterbende Bäume werden zum Lebensraum für andere Pflanzen und Tiere. Hier wächst ein Efeu empor.

Foto oben rechts: Von Baumkrebs befallene Bäume bekommen interessante Wucherungen. Der Baum kann dennoch alt werden.

Foto oben: Allee soweit das Auge blicken kann. Das Grün der Bäume wirkt beruhigend.

Charakterbäume – die Ents sind da

Foto oben: Obwohl „zurechtgestutzt“ birgt dieser Baum Leben. Oftmals treiben auch solche scheinbar toten Bäume wieder aus.

Beim durchschreiten der Allee hat man das Gefühl von Baumbart und anderen Ents aus „Herr der Ringe“ umgeben zu sein. Jeder Baum hat seinen eigenen Charakter. Von knorrig und zerzaust. Über hochaufstrebend und lichtlaubig. Bis weit ausladend und dicht belaubt. Obwohl der Großteil der Bäume Linden sind, hat jeder Baum sein individuelles Erscheinungsbild. Mittlerweile haben sich unter die Linden auch einige andere Baumarten gemischt. Es gibt beispielsweise Ross-Kastanien, einen Speierling und Ahorne. Doch die Linden sind dominant.

Foto oben links: Wie ein Mensch mit erhobenen Armen, wirkt dieses Baumindividuum auf mich.

Foto oben rechts: Hier ist ein Kopfbaum zu sehen. Der Baum wurde gekappt und hat wieder ausgetrieben. Früher war diese Maßnahme an Bäumen häufig zu sehen. Denn die Bäume wurden genutzt. Etwa bei Weiden die weichen Äste zum Korb flechten. Bei anderen Laubbäumen wurde das Laub an das Vieh verfüttert. Diese Nutzung wird als „Schneiteln“ bezeichnet.

Fotos oben: Auch dieser Baum ist noch vital, obwohl er schon eine große Höhlung in der Baummitte hat. Leider werden in den Siedlungsgebieten solche Bäume aus Sicherheitsgründen umgeschnitten. Wir müssen umdenken.

Foto rechts: Auch ein interessanter Wuchs. Auch dieser Baum würde im Siedlungsgebiet oder in Straßennähe umgesägt werden. Viel zu groß ist die Sorge um die Sicherheit. Dass solche Charakterbäume schön und ökologisch wertvoll sind, wird dem Sicherheitsgedanken immer untergeordnet. Heute muss ein Baum am besten einen schnurgeraden Stamm aufweisen und eine runde gleichmäßige Krone, um als „schön“ empfunden zu werden. Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters. Für mich sind diese Bäume einfach schön. Sie erzählen mir Geschichten. An ihnen kann man ablesen und erahnen, was sie schon alles in ihrem langen Dasein erlebt haben.

Lebensphasen von Pflanzen

Foto oben: Aus den vier Baumreihen entsteht eine breite Mittelallee. Die beiden Nebenalleen sind enger und bieten eine intimere Atmosphäre. Hier stehen alte und junge Bäume nebeneinander. Die großen Bäume schaffen für die Jungbäume ein gutes Mikroklima, sodass sie besser wachsen können. So funktioniert die Baum-Partnerschaft.

Geht man entlang der Allee, kann man alle Altersphasen, die Pflanzen und auch diese Alleebäume durchleben, beobachten. In der juvenilen Phase, der Jugendphase, wächst der Baum an und etabliert sich an seinem Standort. In der adulten Phase oder Reifephase hat sich der Baum am Standort entwickelt. Er ist mächtig geworden und hat seine maximale Wuchsgröße erreicht. In der senilen Phase, der Altersphase, baut der Baum schließlich wieder ab. Äste sterben ab. Es bilden sich Höhlen im Stamm und in den Ästen. Der Baum wird zunehmend von anderen Organismen wie holzzersetzenden Baumpilzen und holzfressenden Larven besiedelt. In der mortalen Phase ist der Baum äußerlich abgestorben. Aber in und an ihm entwickelt sich vielfältiges Leben.

Ökobäume sind Lebensräume

Foto oben: Der ausgehöhlte Baumstumpf wird von Moosen bewachsen. Hier finden auch viele weitere Arten ein Zuhause.

Ein Baum allein kann schon zu einem kleinen Lebensraum für viele unterschiedliche Organismen werden: Flechten und Rindenläuse siedeln sich an der Rinde beispielsweise an. Viele Käfer und andere Insekten finden ihren Lebensraum. In den Baumkronen nisten Vögel. Wenn die Bäume im Alter von holzfressenden Larven durchbohrt werden, kommt der Specht und findet seine Nahrung. Spechthöhlen sind begehrte Brutplätze für viele Vögel, aber auch Eichkätzchen schätzen die Höhlen, um ihren Winter-Kobel dort anzulegen.

 Foto links: Hier war der Specht am Werk und hat eine geschützte Baumhöhle geschaffen. Diese sind nicht nur beim Specht selbst als Nisthöhle begehrt. Viele andere Vogelarten sind Höhlenbrüter. Etwa die Meisen oder auch der Kleiber. Auch das Eichhörnchen bevorzugt Höhlen, besonders im Winter als Quartier, wo es seinen runden Kobel aus Moos und anderen weichen und wärmenden Materialien anlegt. Aber auch einige Insekten nisten sich in leeren Spechthöhlen an. Etwa Hummeln wie die Baumhummel. Dies sind nur einige wenige Arten, die von den Höhlen des Spechts abhängig sind. Gibt es diese Höhlen nicht, fehlt den Tieren ihr Nistplatz. Daher braucht es auch die künstlichen Nistkästen als Ersatz für die Brut.

Ökologisch besonders wertvoll sind Baumindividuen, die im Absterben oder bereits abgestorben sind. Hier siedeln sich mittlerweile vom Aussterben bedrohte Organismen an wie etwa der Hirschkäfer. Seine Larven brauchen Baumstubben, also morsche Bäume. In diesem Holz leben sie über mehrere Jahre als Larve bis sie die Metamorphose zum imposanten adulten Hirschkäfer durchlaufen haben.

Foto links und Fotos unten: Auch dieser Baum ist Lebensraum. Hier finden sich drei unterschiedliche Baumpilze. Oben hat sich ein Pilz entwickelt, der seine Charakteristische Pilzform mit Stiel und Kappe hat. Weiter unten am Stamm findet sich ein Baumschwamm mit seiner typischen abggeflachten Form. Ein vertikaler Pilz-Baumgarten, den sich die Natur selbst gemacht hat. Leider werden pilzbefallene Bäume im Siedlungsraum meist gefällt. Daher zählen einige Baumpilze bereits zu den gefährdeten Arten. Aber sie sind wertvoll in einem Ökosystem. Denn sie zersetzen das Totholz und bereiten es für die Besiedleung von Kärferlarven und anderen Wildtieren vor.

Foto rechts: Am Stammfuß des gleichen Baumes wächst noch ein Baumpilz. Er hat eine ganz eigenwillige Form und wirkt so gar nicht wie ein Pilz. Darüber und seitlich daneben von ihm fällt schon Sägemehl aus dem Baum. Ein Zeichen, dass sich hier bereits Larven von Insekten angesiedelt haben. Ob sich vielleicht sogar eine Hirschkäferlarve hier im Baum befindet? Wir wissen es nicht. Aber der Baum ist ein Zuhause für viele Arten.

Fotos oben: Auch weitere Larvenspuren. Je größer die Löcher, desto dicker die Larve. Das muss schon eine erstaunlich dicke Larve gewesen sein, die am Werk war. Auch Spinnen nutzen die Bäume für ihre Netze.

Biotopvernetzung durch Alleen – Renaturierung nach historischem Vorbild

Foto oben: Diese Allee ist ein eigenes Ökosystem, das auch Ökosystemleistungen wir Luftreinigung, Kühlung der Luft, aber auch kulturelle Leistungen als ästhetisches Gestaltelement mit Pflanzen wirksam ist. Diese Allee ist einzigartig und kann durch nichts gleichwertig ersetzt werden.

Die Allee ist durch ihre Größe ein eigenes Biotop, ein Lebensraum, der durch seine lineare Struktur andere Lebensräume miteinander vernetzt. Der anthropogen geschaffene Lebensraum ist eine Chance die Biodiversität unserer verarmten Landschaften positiv zu beeinflussen. Alleen benötigen keine eigenen Flächen und der Landwirtschaft entgeht damit kein Ertragsverlust. Eine Win-Win-Situation. Denn mit Alleen beleben wir ein typisches Gestaltungselement unserer traditionellen Kulturlandschaft wieder.

Foto oben: Ein eindrucksvoller Baumstamm. Ob dieser Baum schon bei der Anlage der Allee hier stand? Jedenfalls ist er ein monumentales Naturwerk.

Foto oben: Beim Durchschreiten der Allee gibt es immer wieder auch Ausblicke in die Kulturlandschaft. Die Allee ist ein großes Ganzes, ein vegetabiles Element. Aber sie ist nie gleich und daher auch nie monoton.

Klimaaktive Landschaftspflege – Pflanzt Alleen!

Foto oben: Die Allee ist ein typisches Element unserer traditionellen und historischen Kulturlandschaft. Leider gibt es sie viel zu wenig. Aber mancherorts ist zu beobachten, dass sie wieder aufgepflanzt werden. Es ist also zu hoffen, dass es bald wieder viele Alleen geben wird. Lasst uns diese wiunderbare Traadition wieder aufleben und überall Alleen pflanzen.

Alleen wirken sich auf das Mikroklima positiv aus. Ihre Bäume beschatten und transpirieren. Daher ist die Umgebungstemperatur kühler unter Bäumen als ein Ort ohne Baum. Eine Allee wirkt aufgrund der Baumgruppen noch effektiver als ein Einzelbaum. Deshalb ist ein erster und wichtiger Schritt das Anlegen von Alleen in jeder Ortsein- und -ausfahrt sowie in allen geeigneten Straßenzügen. Damit setzen wir den Anfangspunkt für die Umsetzung der Renaturierung. Lasst uns Bäume und Alleen pflanzen! Überall! Es lebe die Vielfalt!

Foto oben: Ein Blick in das Blätterdach einer schon etwas zerzausten Winter-Linde. Dennoch ist es noch erstaunlich geschlossen und schenkt uns Spaziergängern viel Schatten. Was für ein Genuss an heißen Sommertagen!