Klimawandel – Wetterextreme an der Tagesordnung
Das Thema Klimawandel ist in allen Medien präsent. Und die langjährigen meteorologischen Messdaten zeigen im Vergleich zu den aktuellen Daten, dass sich unser Klima tatsächlich verändert. Untypische Witterungsverläufe. Stark schwankende Extremwerte. Das macht nicht nur uns Menschen zu schaffen. Auch Pflanzen und Tiere sind von den Veränderungen betroffen. Und besonders im Garten kann man diese Wetterphänomene hautnah beobachten und erleben. Siehe dazu auch ORF-Online Artikel „Ein Problem kommt nach Hause“ (18.4.2019).
2018 war ein weltweites Hitze-Rekordjahr. Und auch für heuer werden ähnliche Temperaturen prognostiziert. Nicht jeden freuen diese Aussichten. Insbesondere die Land- und Forstwirtschaft bekommt die Witterungsextreme stark zu spüren. Doch auch Freizeitgärtnerinnen und Freizeitgärtner sind manchmal ratlos, wie sie mit den veränderten Klimabedingungen umgehen sollen. Im eigenen Garten kann man durch unterschiedliche Maßnahmen wie Pflanzenauswahl, Pflegeeingriffe und Gießverhalten darauf reagieren.
Im Osten Österreichs gibt es Regionen mit natürlicher Steppenvegetation.
Steppenpflanzen als Antwort auf den Klimawandel
Als ich meinen eigenen Hortus Pannonicus anlegte, wollte ich einen sonnigen Bereich als artenreichen Blumengarten schaffen. Er sollte natürlich wirken. Pflegeleicht sein. Und vor allem: Er sollte ein Lebensraum für Insekten und andere Wildtiere sein. Da sich die Ausläufer der eurasischen Steppenvegetation bis in das österreichische Pannonikum ziehen, bot sich diese Pflanzengesellschaft als Vorbild für meinen Garten an.
Steppen sind gräserdominierte Landschaften. Sie haben sich überall dort gebildet, wo die Lebensbedingungen für Bäume zu ungünstig waren: geringe Niederschläge, Hitze, Wind, weidende (Wild)Tiere und auch wir Menschen haben die Graslandschaften gefördert und den Gehölzaufwuchs zurückgedrängt. So entstanden die nordamerikanischen Prärien, die südamerikanische Pampas, der australische Busch, die afrikanischen Trockensavannen sowie die asiatischen Steppen deren Ausläufer bis nach Mitteleuropa reichen.
Das Artenspektrum
Mein Steppengarten beherbergt zahlreiche Pflanzenarten, die im Pannonikum beheimatet sind. Gräser bilden die dominante Grundbepflanzung: Federgräser wie Stipa capillata und Stipa barbata. Wimper-Perlgras, Melica ciliata, und auch Schwingel-Arten, Festuca sp., sind vertreten.
Blumenzwiebeln und Stauden sowie einige Halbsträucher sind in die Gräsermatrix eingestreut. Darunter finden sich auch einige exotische Gewächse etwa aus dem mediterranen Raum wie die Weinraute, Ruta graveolens. Einerseits aus ästhetischen Gesichtspunkten, um attraktive Blüh- und Blattaspekte zu schaffen und andererseits um die Blühdauer zu verlängern oder zu verstärken. Denn ein Großteil der pannonischen Steppenpflanzen hat ihren Blühschwerpunkt von Vorfrühling bis Frühsommer.
Doldiger Milstern, Ornithogalum umbellatum
Gartensorte einer Netz-Iris, Iris reticulata
Groß Windröschen, Anemone sylvestris mit einer männlichen Spiralhornbiene, Systropha cuvicornis
So blühen im Vorfrühling der Doldige Milchstern, Ornithogalum umbellatum, mit der Netz-Iris, Iris reticulata. Sie werden abgelöst von Traubenhyazinthen, Muscari sp., Weinbergs-Tulpe, Tulipa sylvestris und anderen Blumenzwiebeln. Ihnen folgen Gold-Wolfsmilch, Euphorbia polychroma, und Groß-Windröschen, Anemone sylvestris.
Der Frühsommer zeigt sich von seiner schönsten Seite mit Blut-Storchschnabel, Geranium sanguineum, Steppen-Salbei, Salvia nemorosa, dem Orientalischem Mohn, Papaver orientale, der in Ostanatolien entdeckt wurde und anderen Pflanzen.
Ab der Sommersonnenwende, wenn es so richtig heiß wird, beginnen viele Pflanzen bereits in den fruchtenden Zustand überzugehen. Das heißt sie bilden ihre Diasporen, die Fruchtkörper aus. Was wir gemeinhin als Samen bezeichnen. Die bunte und farbenfrohe Blütenvielfalt weicht den unterschiedlichsten Braunschattierungen.
Goldschopf-Aster, Aster linosyris syn. Galatella linosyris
Gartensorte einer Kugeldistel, Echinops, umgeben von Haar-Pfriemgras, Stipa capillata
Golddistel, Carlina vulgaris, mit Bläuling
Doch immer wieder gibt es auch Pflanzen, die erst jetzt zu blühen beginnen. So etwa die Kugeldistel, Echinops sp., der Muskateller-Salbei, Salvia sclarea, oder auch das Schleierkraut, Gypsophila paniculata. Wenn der Hochsommer zu Ende geht erblühen die Goldschopf-Aster, Aster linosyris, und die Kalk-Aster, Aster amellus. Im Herbst erblüht auch noch die Golddistel, Carlina vulgaris. Sie ist ein wertvoller Nahrungslieferant für herbstliche Blütenbesucher.
Die wilden Bewohner der Steppe
Und neben den artenreichen Gewächsen im Steppengarten gibt es auch eine reichhaltige Fauna. Besonders Insekten dominieren diesen Gartenbereich: Gottesanbeterinnen, Mantis religiosa, lugen gerne aus den Hohen Fetthennen, Sedum telephium, hervor.
Gelb-Skabiose, Scabiosa ochroleuca, mit Zitronenfalter, Gonepteryx rhamni
Duft-Skabiose, Scabiosa canescens, mit Hummel, Bombus
Wahre Dauerblüher und Insektenmagneten sind etwa die Skabiosen. Die Gelb-Skabiose, Scabiosa ochroleuca, und die Duft-Skabiose, Scabiosa canescens. Diese beiden Arten eignen sich auch hervorragend für Kräuterrasen und trockene Wildblumenwiesen. Sie wirken für Wildbienen und Schmetterlinge gleichermaßen anziehend.
Langhornbienen-Männchen der Gattung Eucera an einem Grashalm.
Holzbiene, Xylocopa violacea, an einem Muskateller-Salbei, Salvia clarea.
Rote Mauerbiene, Osmia bicornis syn. Osmia rufa, im Anflug auf einen Stauden-Lein, Linum perenne.
Wildbienen verschiedenster Gattungen wie die Langhornbienen, Eucera, die Spiralhornbienen, Systropha, Fuchenbienen, Halictus und Lasioglossum, Sandbienen, Andrena, Blattschneiderbienen, Megachile, Holzbienen, Xylocopa…
Aber natürlich auch zahlreiche Schmetterlinge wie den Segelfalter, Iphiclides podalirius, (Foto oben links) den Schwalbenschwanz, Papilio machaon, den Kleinen Fuchs, Aglais urticae, den Distelfalter, Vanessa cardui, (Foto oben rechts) findet man auf den Blüten Nektar schlürfen.
Nützliche Käfer, Wanzen und andere Fluginsekten – weil räuberisch – wie die Weichkäfer, Cantharis sp., (Foto oben links) und der Plattbauch, Libellula depressa, (Fotos oben rechts) sind auch häufige Gäste. Erst durch die Kombination von Pflanzen und Wildtieren lebt meine Steppe. Und sie bereitet mir Freude. Denn hier gibt es immer was zu entdecken.
Pflege – wenig, aber doch
Und auch in Punkto Pflege bereitet mir die Steppe eine Freude. Denn sie ist äußerst pflegeextensiv. Hier wird nicht gegossen. Nie. Egal wie lange es nicht regnet. Und das kann mitunter wochenlang sein bei gelichzeitigen Temperaturen weit über 30 °C. Die Steppe wird während der Vegetationsperiode auch nicht zurückgeschnitten. Es erfolgt keinerlei Bodenbearbeitung und kein Düngen. Nichts. Die Pflanzen dürfen sich selbst verbreiten – über Aussaat, Ausläufer oder wie auch immer. Wenn ich die Steppe als zu wild empfinde, greife ich lenkend ein. Ich entferne etwa Pflanzen, die zu stark wüchsig sind. Doch normalerweise schneide ich erst im ausgehenden Winter alles bodennah zurück (siehe dazu Blogbeitrag „Pflanzen zurückschneiden, aber mit Vorsicht! – Pflege im wilden Nützlingsgarten“).
Wie kann ich nun eine Steppenpflanzung umsetzen?
Ich habe sie in Kombination von Pflanzung und Ansaat realisiert. Denn einige Pflanzen, die ich unbedingt haben wollte, waren nur als Saatgut erhältlich. Das ist auch kostengünstig. Aber eine Aussaat braucht mehr Entwicklungszeit als eine Pflanzung. Diese habe ich mit kurzlebigen Arten überbrückt. Also Einjährigen und Zweijährigen. Zu den einjährigen Arten, den Anuellen gehören etwa Klatsch-Mohn, Papaver roehas, und Strahlensame, Orlaya grandiflora. Zu den zweijährigen Arten, den Biennen zählen etwa einige Königskerzen, Verbascum sp., Wilde Möhre, Daucus carota, und Natternkopf, Echium vulgare. Sie füllen Lücken auch noch später aus.
Die Kornrade, Agrostemma githago, ist ein einjähriges Ackerunkraut. Doch auf Äckern ist sie bei uns nicht mehr anzutreffen.
Fazit
Meine Steppe ist tatsächlich eine Bepflanzung, die auch die Hitze- und Trockenphasen der letzten Jahre gut überstanden hat. Zudem ist sie ein Lebensraum und eine Nahrungsquelle für viele Wildtiere geworden. Sie ist also ein echter Hotspot in meinem Garten.
Wem eine Steppe zu wild ist, kann auch viele der erwähnten Pflanzenarten in einem Wildblumenbeet verwenden. Dort können die einzelnen Arten nach ästhetischen Gesichtspunkten arrangiert werden. Hohe Pflanzen in den Hintergrund. Niedrige Arten in den Vordergrund. Gräser und Halbsträucher als Strukturpflanzen. In den Lücken die Kurzlebigen und natürlich ganz viele Blumenzwiebeln. Und wem das verdorrte Gestrüpp dann doch zu braun ist, kann natürlich auch diese Pflanzen einkürzen und somit kosmetisch eingreifen. Aber das muss nicht sein. Die Wildtiere mögen es gerne wild. Also: Lieber nach dem Laissez-faire-Prinzip Gärtnern und den Pflanzen einfach ihren Lauf lassen. Das schont unsere kostbare Zeit und freut die Wildtiere.